Das Copernicus-Programm: Ein Gewinn für Forschung, Gesellschaft und Wirtschaft

Der Bundesrat hat sich kürzlich gegen eine Teilnahme am Erdbeobachtungsprogramm «Copernicus» bis 2027 ausgesprochen. Die Schweiz war intensiv am Aufbau von Copernicus beteiligt und konnte auch finanziell davon profitieren. Eine weitere Teilnahme an diesem Programm würde viele Vorteile für Forschung, Verwaltung und Unternehmen bieten – auf nationaler, wie auch auf regionaler Ebene.

Das Copernicus-Programm

Copernicus ist ein Erdbeobachtungsprogramm das 1998 gegründet wurde und von der Europäischen Raumfahrtagentur ESA im Auftrag der Europäischen Union umgesetzt wird. Copernicus erhebt mittels der dafür entworfenen Satellitenmissionen der Sentinel-Familie Daten der Erde und stellt diese – teils in Echtzeit – Nutzerinnen und Nutzern zur Verfügung. Für beteiligte Länder geschieht dies kostenlos, sie können alle Daten und Produkte online abrufen und in bestehende Systeme übernehmen.

Ein wichtiger Unterschied zu anderen Satellitenmissionen ist, dass es sich bei Copernicus nicht in erster Linie um ein Forschungsprogramm handelt. Vielmehr stehen hier Nutzer wie europäische Unternehmen, Behörden sowie politische Entscheidungstragende im Mittelpunkt. Ihnen erlaubt es Copernicus, faktenbasierte Entscheidungen zu treffen. Das Programm wurde als wichtiger Teil der europäischen Infrastruktur entworfen und ist auf viele Jahrzehnte ausgelegt. Die Sentinel Missionen liefern Zeitreihen mit homogenen und qualitativ hochwertigen Daten, die mit höchsten wissenschaftlichen Standards validiert worden sind.

Das Copernicus-Programm lässt sich in die sechs Bereiche Atmosphäre, Meeresumwelt, Landüberwachung, Klimawandel, Sicherheit sowie Katastrophen- und Krisenmanagement einteilen.1 Damit wird ein holistischer Anspruch verfolgt, der weit über die Auswirkungen des Klimawandels hinausgeht und viele Lebensbereiche von Europäerinnen und Europäern betrifft. Dazu gehören etwa Anwendungen in Forstwirtschaft, Katastrophenschutz, Raumplanung und Landwirtschaft.

Abbildung 1: Das Projekt «Deepfield» unterstützt die Schweizer Landwirtschaft und verwendet Satellitendaten von Copernicus. Bildquelle: Crop Science, ETH Zürich

Vorteile für die Schweiz

Der Verband der Schweizer Tech-Industrie Swissmem schätzt, dass der volkswirtschaftliche Nutzen der Schweiz in der Aufbauphase von Copernicus 340–520 Millionen Franken betrug. Viele Schweizer Firmen konnten an der Entwicklung und der Konstruktion von Satelliten mitwirken.2 Eine aktuelle Erfolgsgeschichte ist das Projekt «DeepField», an dem das EcoVision Lab und das Crop Science Team der ETH Zürich sowie das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) beteiligt sind. «Deep Field» basiert auf multispektralen, optischen Satellitenbildern der Copernicus-Mission Sentinel-2 und kartiert sämtliche Agrarflächen der Schweiz. Dem BLW steht damit umfassendes Kartenmaterial zur Verfügung, das aufzeigt, welche Agrarflächen auf welche Weise bebaut werden.

Neben diesem automatisierten Feldkalender kann mithilfe des «DeepField»-Projekts auch dargestellt werden, wie lange Ackerflächen brach liegen und zu welchen Zeitpunkten Grasland gemäht bzw. beweidet wird. So bieten sich neue Möglichkeiten um Bürokratie auf Seiten der Behörden abzubauen und den administrativen Aufwand landwirtschaftlicher Betriebe zu verringern. Keine andere private oder öffentliche Erbbeobachtungsmission kann zu relativ geringen Kosten diese Qualität und zeitliche Auflösung an Satellitendaten bei gleichzeitig langfristig garantierter Kontinuität bieten.

Insgesamt erlaubt Copernicus eine kontinuierliche, globale und homogene Datenerhebung, was landesübergreifende Vergleiche überhaupt erst ermöglicht. Tatsächlich lassen sich viele Themen nur im internationalen Kontext analysieren: Der Klimawandel macht nicht an den Landesgrenzen halt und Überflutungskatastrophen können oft nur im überregionalen Kontext vorhergesagt und bekämpft werden

Mit einer Nicht-Teilnahme am Copernicus-Programm riskiert die Schweiz den Ausschluss von Forschung und Entwicklung, was ein grosser Verlust für die hiesigen Hochschulen und forschungsstarken Unternehmen wäre. Zudem droht eine Einschränkung der weiteren Nutzung von Copernicus-Daten. Im schlimmsten Fall wird dies bereits erfolgreich entwickelte Produkte, wie jene des «DeepField»-Projekts, unbrauchbar machen.

Copernicus hat viele Vorteile und grosse Bedeutung für die Schweiz. Ein möglichst schneller Beitritt an diesem Programm ist deshalb absolut wünschenswert.

 

1https://www.copernicus.eu/de/ueber-copernicus/copernicus-kuerze (19.08.2024)
2https://www.swissmem.ch/de/beitritt-zu-copernicus-kann-leben-retten.html (19.08.2024). Die Schätzung beruht auf einem Bericht von PwC.