Die grössten Herausforderungen für die BFI-Landschaft bis 2035
Michael O. Hengartner benennt die drei grössten Herausforderungen aus seiner Perspektive – in einem Beitrag zum 60-Jahre-Jubiläum des SWR.
Die wirtschaftliche Stabilität und der Wohlstand der Schweiz sind eng verknüpft mit ihrem hervorragenden Bildung-, Forschungs- und Innovationssystem. Unsere Hochschulen bilden dringend benötigte Fachkräfte aus, betreiben exzellente Forschung und transferieren Wissen und Innovationen in die Wirtschaft.
Der beachtliche Erfolg unserer Hochschulen ruht auf drei Säulen: internationale Offenheit, gute Governance und eine solide, stabile Grundfinanzierung. Diese drei Erfolgsfaktoren aufrechtzuerhalten ist unsere grösste Herausforderung, denn sie entscheiden massgeblich über die Zukunftsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit der BFI-Landschaft.
Internationale Offenheit
Die internationale Offenheit und Vernetzung ist für ein kleines Land wie die Schweiz von höchster Bedeutung. Besonders wichtig ist die Fähigkeit, die besten Forschenden und Mitarbeitenden aus der ganzen Welt zu rekrutieren, sowie die Möglichkeit, mit den Besten zusammenzuarbeiten. Sowohl die ungeregelte Situation mit der EU also auch die aktuellen geopolitischen Entwicklungen erschweren den Schweizer Hochschulen, diese Ziele zu erreichen. Beim ersten könnten die Bilateralen III einen Durchbruch erlauben, bei letzterem muss den Hochschulen der Drahtseilakt gelingen, einerseits die nationale Sicherheit und unsere westlichen Werte zu schützen, anderseits ihre sehr wichtige Funktion als Brückenbauerinnen (im Sinne von «science for diplomacy») zwischen den Ländern und Kulturen wahrzunehmen.
Gute Governance
Der Handlungsspielraum, welchen unsere Hochschulen brauchen, um ihren gesellschaftlichen Auftrag zu erfüllen, wird massgeblich durch ihre Governance entschieden. Wie vieles andere in der Schweiz, regeln zig Gesetze sowohl auf Bundes- (HFKG, FIFG, usw.) als auf kantonaler Ebene, wie unsere über drei Dutzend Hochschulen agieren und interagieren sollen. Diese komplexe Governance bringt natürlich Vorteile, sie macht aber auch eine Optimierung des Gesamtsystems schier unmöglich. Jeder optimiert, natürlich, in erster Linie für sich selbst. Dies führt leider oft zu Ineffizienz, welche besonders in Zeiten von finanzieller Knappheit schmerzhaft spürbar wird. Ist die Aufgaben-, Kompetenz- und Kostenteilung, wie im HFKG beschrieben, noch das beste Rezept für die Zukunft? Oder ist es Zeit, eine grundlegende Diskussion zum Hochschulraum Schweiz zu führen? Ich plädiere für Letzteres.
Solide, stabile Grundfinanzierung
Um ihre Exzellenz zu wahren, sind die Schweizer Hochschulen schliesslich auch auf eine stabile und ausreichende Finanzierung angewiesen. Bildung, Forschung und Innovationsförderung stehen aber in anhaltendem Wettbewerb mit anderen, rasch wachsenden Ausgabenbereichen wie Sicherheit, Gesundheit und Sozialausgaben. Das Budget 2025 des ETH-Bereichs wurde im Vergleich zu 2024 um 5 % gekürzt, weitere Kürzungen für die kommenden Jahre sind zu befürchten. Gleichzeitig nimmt der internationale Wettbewerb zu. Insbesondere Länder wie China investieren massiv in ihre Universitäten und Forschungszentren, was den Druck auf Schweizer Institutionen erhöht. Die Zeit, in der sich alle alles leisten konnten, ist vorbei. Wir müssen entscheiden, wo wir top sein wollen, und wo «sehr gut» gut genug sein muss.
Fazit: Nur durch die Sicherstellung einer stabilen Finanzierung, eine optimale Governance und eine ausgeprägte internationale Ausrichtung kann die Schweiz ihre Spitzenposition in Bildung, Forschung und Innovation behaupten. Die Herausforderungen sind gross, doch sie bieten auch Chancen: Eine klare politische Strategie, die diese drei Faktoren priorisiert, sichert die zukünftige Attraktivität des Denk- und Werkplatzes Schweiz und damit den Wohlstand unseres Landes.
