Die grössten Herausforderungen für die BFI-Landschaft bis 2035

Christian Leumann benennt die drei grössten Herausforderungen aus seiner Perspektive – in einem Beitrag zum 60-Jahre-Jubiläum des SWR.

Die Bildungs-, Forschungs- und Innovationslandschaft (BFI) steht in den kommenden zehn Jahren vor erheblichen Herausforderungen. Aus der Perspektive eines ehemaligen Rektors einer Universität und derzeitigen Direktionspräsidenten eines Universitätsspitals lassen sich drei zentrale Themenblöcke identifizieren: die zunehmende politische Einflussnahme auf die Freiheit der Forschung, geopolitische Verwerfungen sowie der Einfluss der künstlichen Intelligenz (KI) auf die Forschungspraxis.

Verstärkte politische Einflussnahme auf die Freiheit der Forschung

Die Forschung wird immer kostenintensiver, während die verfügbaren Budgets begrenzt sind. Dies führt zu einem zunehmenden Druck vonseiten der Politik, Forschungsthemen gezielt nach deren unmittelbarer gesellschaftlicher oder wirtschaftlicher Relevanz zu steuern. Die Gefahr besteht, dass langfristig angelegte Grundlagenforschung zugunsten von Forschung von kurzfristiger wirtschaftlicher oder gesellschaftlicher Nützlichkeit vernachlässigt wird. Die zunehmende thematische Steuerung in der öffentlichen Forschungsfinanzierung ist ein unverkennbares Zeichen davon. Damit droht eine Erosion der verfassungsmässig verankerten wissenschaftlichen Freiheit, einem der zentralen Erfolgsprinzipien der Aufklärung, die den heutigen Wohlstand ermöglicht hat.

Geopolitische Verwerfungen und Abschottung

Universitäten als Hauptträger der staatlich finanzierten Forschung sind global vernetzte Akteure, die auf internationalen Austausch und Kooperation angewiesen sind. Forschung zu zentralen Themen wie Klima, Weltraum, künstliche Intelligenz oder Gesundheit kann nicht isoliert erfolgen, sondern erfordert globale Zusammenarbeit. Die COVID-19-Pandemie hat eindrucksvoll gezeigt, wie erfolgreiche Forschung durch internationale Kooperation möglich ist. Geopolitische Verwerfungen, wie z.B. der Krieg in der Ukraine, sowie neuerdings nationale Isolationstendenzen betreffen auch die Forschung. Hürden für den wissenschaftlichen Austausch nehmen zu, wodurch wertvolle Kompetenzen ausgeschlossen und wissenschaftliche Fortschritte behindert werden. Eine zunehmende Isolation der Forschung schwächt deren Qualität und Innovationskraft.

Künstliche Intelligenz als Herausforderung und Chance

Die Integration von künstlicher Intelligenz in die Forschung stellt einen tiefgreifenden Wandel dar. KI kann und soll zunehmend als Tool genutzt werden, was wissenschaftliche Arbeitsprozesse revolutionieren wird. Dies wirft zentrale Fragen auf: Welchen Wert haben beispielsweise traditionelle Publikationsformen in einer durch KI unterstützten Forschungswelt? Wer definiert künftig Forschungsprojekte, wenn KI bereits Hypothesen generieren und Datenauswertung und -interpretation vornehmen kann? Darüber hinaus sind ethische Fragen von hoher Relevanz: Muss KI-gestützte Forschung reguliert werden, und wenn ja, wer ist dafür zuständig? Wie verändern sich gängige Regeln zur Sicherung wissenschaftlicher Integrität?

Diese drei Herausforderungen werden die BFI-Landschaft in den kommenden Jahren nachhaltig prägen. Es bedarf einer offenen, zukunftsorientierten Diskussion und kluger politischer Entscheidungen, um eine forschungsfreundliche Umgebung zu erhalten, internationale Zusammenarbeit zu fördern und den Einsatz neuer Technologien verantwortungsvoll zu gestalten.

Christian Leumann trat kürzlich als Rektor der Universität Bern zurück und ist derzeit Direktionspräsident am Inselspital Bern. Zuvor war er lange in den Akademien und im SNF aktiv.