Horizon Europe: Eine Zwischenbilanz
Horizon Europe, das grösste öffentliche Forschungsprogramm der Welt, geht in sein drittes Jahr. Was sind die brennendsten Themen? Und welche Perspektiven ergeben sich für die Schweiz?
Das 9. europäische Forschungsrahmenprogramm Horizon Europe (2021–2027) startete 2021 mit einem Rekordbudget von fast 100 Milliarden Euro. Das Programm deckt die gesamte Wertschöpfungskette ab: So fördert der Europäische Forschungsrat ERC exzellente Grundlagenforschung, während der Europäische Innovationsrat EIC marktreife Produktentwicklungen ermöglicht.
Zwischen diesen beiden Polen der Wertschöpfungskette finanziert Horizon Europe Konsortien, in denen Akteure aus der Wissenschaft, der Industrie und der Zivilgesellschaft Lösungen zu den grossen globalen Herausforderungen («Global Challenges») erarbeiten. Gleichzeitig soll mittels dieser Verbundforschung die europäische Wettbewerbsfähigkeit gestärkt werden. In den Projekten geht es etwa um Korruptionsbekämpfung, Gesundheitstechnologien, klimaschonende Produktionsmethoden oder neue Formen der Mobilität.
Daneben gibt es das Instrument der Missionen, das als grosse Neuerung von Horizon Europe angekündigt wurde. Inspiriert vom US-amerikanischen Apollo-Programm sollen Missionen ehrgeizige und konkrete Ziele mit gesellschaftlicher Relevanz erreichen. Ein Beispiel dafür sind 100 klimaneutrale und intelligente europäische Städte bis zum Jahr 2030.
Nach zwei Jahren zeichnen sich erste Tendenzen ab: Wenig Überraschungen weisen jene Förderinstrumenten von Horizon Europe auf, die bereits in früheren Forschungsrahmenprogrammen etabliert waren. Dazu gehören die ERC Grants, die Verbundforschung («Global Challenges») oder auch die Marie Skłodowska-Curie Actions. Startschwierigkeiten gibt es hingegen beim neu gegründeten Europäischen Innovationsrat EIC. Dieser wollte insbesondere mit dem «EIC Accelerator» punkten, der innovative Firmen mit Beträgen von bis zu 2.5 Millionen Euro unterstützt. Eigentlich hätten diese Firmen über einen Fonds Zugang zu weiterem Investitionskapital erhalten sollen – dieses Projekt ist allerdings auch nach zwei Jahren noch nicht umgesetzt, was im Europäischen Parlament für grossen Unmut sorgt.
Auch beim Förderprogramm der «Missions» macht sich Ernüchterung breit. Es hat sich gezeigt, dass die Implementierung des Mission-Ansatzes schwieriger ist als erhofft. Dies liegt unter anderem daran, dass viele EU-Staaten bzw. Regionen wenig Erfahrung in der Umsetzung von missionsorientierten Projekten haben. Gemäss dem europäischen Universitäts-Netzwerk The Guild droht zudem in den Missions-Ausschreibungen der Fokus auf Forschung und Innovation verloren zu gehen und werden den Konsortien zu viele Vorgaben gemacht (top-down) beziehungsweise zu wenig Freiheiten gelassen (bottom-up).
Alle Programme von Horizon Europe werden im Rahmen der Zwischenevaluation von Horizon Europe erstmals evaluiert. Die Ergebnisse sollen Ende 2023 publiziert werden.
Und die Schweiz? Sie ist weiterhin ein nicht-assoziiertes Drittland und von wichtigen Programmteilen – insbesondere den meisten ERC Grants und dem EIC Accelerator – ausgeschlossen. Das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation SBFI hat deshalb die Innosuisse und den Schweizerischen Nationalfonds SNF beauftragt, Übergangsmassnahmen zu schaffen: So gibt es nun an Stelle des EIC Accelerator einen Swiss Accelerator und der ERC Starting Grant wurde zum SNF Starting Grant. Bei den grossen Verbundprojekten können Schweizer Institutionen zwar noch mitmachen, diese allerdings nicht mehr leiten. Die Finanzierung erfolgt in diesen Fällen ebenfalls über das SBFI.
Der Schweizerische Wissenschaftsrat SWR hat sich von Anfang an für eine rasche Assoziierung der Schweiz an Horizon Europe eingesetzt – etwa durch einen Offenen Brief, der von über 30 europäischen Wissenschaftsorganisationen unterschrieben wurde. Der SWR unterstützt zudem die Stick-to-Science Initiative. Sicher ist: Die Nicht-Assoziierung der Schweiz an Horizon Europe hat grosse Folgen für den hiesigen Forschungs- und Innovationsplatz und damit auch für die Wirtschaft. Der SWR wird die weiteren Entwicklungen aufmerksam verfolgen.