Staatliche Förderung von privater Forschung und Innovation: Ein Paradigmenwechsel?

Die direkte Förderung von Firmen war in der Schweiz lange Zeit verpönt, was sich auch in der Forschungs- und Innovationspolitik widerspiegelte. In den letzten Jahren zeichnet sich eine Abkehr dieser absoluten Haltung ab. Kommt es gar zum Paradigmenwechsel?


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Es war ein Vorschlag, der aufhorchen liess: Anfang dieses Jahres lancierte die Stadtbasler Finanzdirektorin Tanja Soland angesichts der neuen OECD-Mindestbesteuerung die Idee, Firmen direkt mit öffentlichen Forschungsgeldern zu unterstützen. Das ist zwar in anderen Ländern längst Usus, in der Schweiz hingegen immer noch verpönt. Allerdings gibt es in den letzten Jahren Anzeichen dafür, dass sich die Praxis auch hierzulande verändert. Ein Beispiel dafür sind die Europäischen Forschungsrahmenprogramme.

Wir erinnern uns: Beim 8. EU Forschungsrahmenprogramm Horizon 2020 (2014–2020) war die Schweiz aufgrund der Masseneinwanderungsinitiative von 2014 bis 2016 nur teilweise assoziiert. Schweizer Firmen konnten zwar weiterhin in den grossen Forschungskonsortien teilnehmen, das Geld kam nun aber direkt von der Bundesverwaltung und nicht mehr aus der EU. Hingegen war es Schweizer Firmen nicht möglich, am Instrument «Innovation for SMEs» zu partizipieren, das innovative Unternehmen auch ausserhalb von Konsortien förderte. Eine nationale Ersatzmassnahme stand damals noch nicht zur Debatte.

Auch im 9. EU Forschungsrahmenprogramm Horizon Europe (2021–2027), an dem die Schweiz lediglich als nicht-assoziiertes Drittland teilnehmen kann, gibt es mit dem «EIC Accelerator» ein Firmenförderinstrument. Und erneut haben Schweizer Unternehmen dazu keinen direkten Zugang. In diesem Fall hat sich der Bund aber dazu entschieden, mittels dem von Innosuisse angebotenen «Swiss Accelerator» einen Ersatz anzubieten. Somit erhalten hochkompetitive KMU und Start-ups aus der Schweiz bis zu 2.5 Millionen Franken für innovative Projekte – direkt vom Staat.

Diese Tendenz zur Direktförderung von Firmen spiegelt sich auch in der politischen Entscheidungsfindung wider. So hat das Parlament in der Wintersession 2021 die Revision des Bundesgesetzes über die Förderung der Forschung und der Innovation (FIFG) gutgeheissen. Damit wird es Innosuisse ab 2023 ermöglicht, Schweizer Unternehmen im Rahmen von internationalen Innovationsprojekten zu finanzieren.1 Zudem kann Innosuisse auch Start-ups finanziell unterstützen, falls diese noch nicht im Markt etabliert sind.

Insbesondere für Start-ups in den Bereichen Dekarbonisierung und Digitalisierung könnten mittelfristig sogar noch mehr staatliche Fördermittel bereitstehen. Für sie hat der Bundesrat Ende Juni 2022 nämlich einen Innovationsfonds ins Auge gefasst. Er erhofft sich damit eine Stimulierung des Risikokapitalmarktes und letztlich eine Erhöhung der Standortattraktivität der Schweiz.

Politische und wirtschaftliche Entwicklungen wie die konfliktreiche Beziehung der Schweiz zur EU sowie die Einführung der OECD-Mindeststeuer führen also dazu, dass alte Überzeugungen in Frage gestellt werden. Dies wird das zukünftige Ökosystem der schweizerischen Forschung und Innovation zweifellos beeinflussen.

 

1Die angepasste Beitragsverordnung von Innosuisse wird voraussichtlich noch diesen Herbst vom Bundesrat genehmigt.