Drei Jahre danach: Folgen der schweizerischen Nicht-Assoziierung an Horizon Europe

Die Nicht-Assoziierung der Schweiz an Horizon Europe (2021–2027) hat grosse Auswirkungen auf das hiesige Forschungs- und Innovationssystem. Es wurden neue Förderinstrumente etabliert, die teilweise an althergebrachten Paradigmen rütteln. Die etablierten Förderagenturen sind mit Zusatzaufgaben belastet worden. Was die mittel- und längerfristigen Folgen sind, hängt nicht zuletzt von der Frage ab, ob und wann die Schweiz wieder am grössten Forschungsrahmenprogramm der Welt assoziiert sein wird.

Vor drei Jahren entschied sich der Bundesrat zu einem drastischen Schritt: Am 26. Mai 2021 brach er die Verhandlungen über ein Institutionelles Abkommen mit der Europäischen Union ab. Die EU reagierte mit dem Ausschluss der Schweiz als assoziiertes Land am 9. Forschungsrahmenprogramm FRP Horizon Europe (2021–2027). Zwar war der Schweiz zwischen 2014 und 2016 bereits einmal die Vollassoziierung verwehrt worden – damals vom 8. FRP Horizon 2020 (2014–2020). Das Land war jedoch nach wenigen Monaten bereits wieder für wichtige Programme teilnahmeberechtigt, insbesondere für die Calls des prestigeträchtigen Europäischen Forschungsrates ERC. Die Folgen der Nicht-Assoziierung von 2021 sind deutlich gravierender: Die Schweiz ist seit drei Jahren von wichtigen Bereichen der Programme ERC, Marie Skłodowska-Curie Actions und der Firmenförderung des Europäischen Innovationsrates EIC ausgeschlossen. Auch in den strategisch wichtigen Bereichen der Quanten- und Weltraumtechnologie ist die Schweizer Beteiligung stark eingeschränkt.

Der Bund beschloss, auf nationaler Ebene Massnahmen zu ergreifen, um die Folgen der Nicht-Assoziierung abzumildern. Bei jenen Programmen, bei denen die Schweiz weiterhin als Drittland teilnahmeberechtigt blieb, insbesondere bei den Verbundprojekten im Bereich «Global Challenges», übernahm das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) die Finanzierung. Die Eidgenössische Finanzkontrolle EFK hielt Ende 2023 fest, dass sich damit die Aufgaben des SBFI «fundamental verändert» hätten. Aber auch die beiden grossen Förderorganisationen für Forschung und Innovation, der Schweizerische Nationalfonds SNF und Innosuisse, hatten (und haben) einen deutlichen Mehraufwand. Ihnen kam die Aufgabe zu, die nicht mehr zugänglichen Programme von Horizon Europe auf nationaler Ebene zu «spiegeln»: So entstand etwa aus dem ERC Advanced Grant der SNSF Advanced Grant und der EIC Accelerator wurde von Innosuisse zum Swiss Accelerator umbenannt. Was sich technisch anhört, ist ein höchst bemerkenswerter Vorgang: Die Schweiz hat Förderinstrumente eines europäischen Forschungsprogramms «kopiert» und auf nationaler Ebene implementiert.

Es ist kompliziert: Überblick über die verschiedenen Massnahmen der Schweiz im Zuge der Nicht-Assoziierung an Horizon Europe (Quelle: SBFI 2024).

Die Folgen für das schweizerische BFI-System sind nicht zu unterschätzen. So sprach Innosuisse in ihrem Geschäftsbericht 2022 zum Swiss Accelerator von einem «eigentlichen Paradigmenwechsel», «da [Innosuisse] zum ersten Mal hochinnovative Projekte von KMUs und Startups direkt finanziell unterstützen kann». Tatsächlich war die direkte Firmenförderung über öffentliche Gelder in der Schweiz bis dahin ein Tabu.1 Auch beim SNF hatten die Ersatzmassnahmen unmittelbare Auswirkungen auf das Förderportfolio: Der SNSF Starting Grant ersetzte die bestehenden SNF-Instrumente PRIMA und Eccellenza (bzw. SNSF Professorial Fellowships), für die keine separaten Ausschreibungen mehr vorgenommen wurden. Der SNF sprach von einer «integrativen Ausschreibung» und wies darauf hin, dass «die veränderten Zulassungsfenster einige Forschende zu Planänderungen zwingen». Schliesslich trugen auch die Schweizerischen Akademien der Wissenschaften mit der Quantum Initiative zur Abfederung der Nicht-Assoziierung bei und zwar im Bereich Quantentechnologie, von der die Schweiz auf europäischer Ebene ebenfalls ausgeschlossen ist.

Was die eingeschränkte Teilnahme an Horizon Europe für Forschende, Firmen und andere Beteiligte konkret bedeutet, kann zum jetzigen Zeitpunkt nur erahnt werden. 2022 hat das SBFI diesbezüglich eine erste Auslegeordnung gemacht, Anfang dieses Jahres legte das Staatssekretariat einen ausführlichen Bericht zur Beteiligung der Schweiz an Horizon 2020 und Horizon Europe vor. Offen bleibt bisher die Frage, welche systemischen Folgen die Nicht-Assoziierung an Horizon Europe mittel- und langfristig hat, etwa im Hinblick auf die Firmenförderung, missionsorientierte Ansätze sowie alternative Forschungsabkommen mit europäischen und aussereuropäischen Staaten. Es ist zudem durchaus denkbar, dass Förderorganisationen von ihren Erfahrungen mit den Übergangsmassnahmen lernen und bestimmte Aspekte – zum Beispiel im Bereich Projektevaluation – längerfristig in ihr Portfolio übernehmen.

Die Schweiz betreibt also einen grossen Aufwand, die Folgen der Nicht-Assoziierung an Horizon Europe zu mindern. Die zuständigen Institutionen, darunter das SBFI, der SNF und Innosuisse, leisten dabei eine gute Arbeit, wie kürzlich auch die EFK bestätigt hat. Dass dies alles jedoch einen Preis hat und eine Assoziierung nicht ersetzen kann, darüber besteht innerhalb der Forschungs- und Innovationscommunity weitgehender Konsens. Der Start neuer Verhandlungen für ein bilaterales Gesamtpaket zwischen der Schweiz und der EU weckt Hoffnungen und hat bereits positive Konsequenzen: 2024 können sich Schweizer Forschende wieder an einer «echten» ERC Ausschreibung beteiligen.

 

1Eine Ausnahme stellt die Ressortforschung dar, über die bereits früher Firmen direkt gefördert werden konnte. Zudem unterstützt Innosuisse seit 2023 Innovationsprojekte von Start-ups vor dem Markteintritt.